Einblicke in den Unterrichtsalltag der Unterstufe
Der Wechsel vom Kindergarten in die Schule ist für viele Kinder und deren Eltern ein bedeutender Schritt. Besonders, wenn bei ihrem Kind bei der Gutachtenerstellung der Förderbedarf „ganzheitliche Entwicklung“ festgestellt wurde, gehen viele Fragen durch den Kopf der Eltern:
o Ist mein Kind wirklich schulreif?
o Wie kommt es mit neuen Mitschülern und neuen Bezugspersonen (Lehrerinnen und Lehrern) zurecht?
o Kann mein Kind einen kompletten Schultag wirklich durchstehen?
o Wird es überhaupt verstanden, es spricht ja so undeutlich?
o Sind immer Hilfen da, wenn es zur Toilette muss oder Pflege braucht?
o Kann mein Kind mit anderen spielen?
o Wie reagiert mein Kind, wenn es in Konfliktsituationen gerät?
o Kann mein Kind sich überhaupt so lange konzentrieren?
o Sind die zahlreichen Reize, die auf mein Kind einströmen, nicht einfach zu viel?
o Wird in der Schule darauf eingegangen, dass mein Kind sich noch nicht alleine aus- und anziehen kann?
Eine Möglichkeit bei der Schulwahl ist die Don-Bosco-Schule, eine Schule, die speziell auf die Förderbedürfnisse von Kindern mit dem Förderschwerpunkt „Ganzheitliche Entwicklung“ ausgerichtet ist.
Wir möchten Ihnen im Folgenden einen Einblick in die Arbeit der Unterstufe der Don-Bosco-Schule geben.
Unser erstes Ziel ist, dass ihr Kind gut bei uns ankommt. Es muss sich an so viel Neues gewöhnen. Neue Mitschüler, neue Lehrer, neue Räume, ein unvertrautes Schulhaus kennen lernen, neue Wege gehen, unbekannte Regeln und Rituale lernen. In der Eingewöhnungsphase lassen wir ihrem Kind Zeit, sich an all das Neue zu gewöhnen und begleiten es dabei. Wir versuchen eine Umgebung zu schaffen, in der ihr Kind sich angenommen und geborgen fühlt und die von Akzeptanz, Wertschätzung, Empathie und Ermutigung geprägt ist. Spielerisch lernen wir die Namen der Schüler und Lehrerinnen. Wir führen ihr Kind behutsam an den Schulalltag heran. In der kleinen Gruppe von sechs Schülern gehen wir individuell auf die Bedürfnisse ihres Kindes ein.
Rituale, ein immer wiederkehrender möglichst gleichbleibender Tagesablauf und vertraute Bezugspersonen sind ein wichtiger Baustein unserer Arbeit. In der Unterstufe gibt es zahlreiche Rituale. Sie schaffen einen verlässlichen, vertrauten Rahmen, die Grundlage, damit Lernen überhaupt stattfinden kann. Die Schüler können sich auf das einstellen, was kommt. Die Lernumgebung wird vertraut. Sie fühlen sich sicher. Eine gute Basis, um sich neuen Lerninhalten gegenüber öffnen zu können.
Die Kistenarbeit
Die „Kistenarbeit“ ist eine regelmäßig stattfindende offene Unterrichtseinheit. Die Schüler sollen dabei die Voraussetzungen zur Freiarbeit üben und lernen. Diese Lerneinheit wird überwiegend für Übungsphasen für die Kulturtechniken (Lesen /Schreiben, Rechnen) oder für die Vertiefung und Übung in anderen Entwicklungsbereichen, wie zum Beispiel Wahrnehmung, Begriffsbildung oder Feinmotorik, genutzt. Die Aufgaben in der Kiste sind individuell auf die Förderbedürfnisse jedes einzelnen Schülers abgestimmt und werden ständig an dessen Weiterentwicklung angepasst. Das Erklingen der Triangel ist für die Schüler das Zeichen für den Beginn dieser Arbeitsphase. Die Regeln „leise arbeiten“, „auf dem Platz sitzen bleiben“ und „sich melden, wenn Hilfe gebraucht wird“, sind mit Boardmakersymbolen im Klassenraum visualisiert. Das Ende der Arbeitsphase wird wieder durch das Erklingen der Triangel markiert. Die Schüler berichten nun von ihren Ergebnissen und bekommen eine Rückmeldung durch die Lehrkräfte.
Dabei sollen die Schüler:
- die eigene Kiste an der Farbe erkennen und finden
- selbständig die eigene Kiste holen
- die Kiste öffnen
- aus einem begrenzten, überschaubaren Angebot Aufgaben auswählen
- Aufgaben (weitestgehend) selbständig bearbeiten
- leise arbeiten, Mitschüler nicht stören
- durch Melden Hilfe einfordern, wenn sie nötig ist
- warten, bis die eingeforderte Hilfe kommt
- einschätzen, ob Hilfe nötig ist
- die Arbeit nach Signal beginnen und beenden
- sich an vorgegebene Zeiträume halten
- von der eigenen Arbeit mit Hilfe der konkret vorliegenden Arbeitsergebnisse berichten
- den Mitschülern dabei zuhören
- sich selbst einschätzen
- Rückmeldung erfahren, damit umgehen lernen
- eingeführte, eingeübte und nachvollziehbar visualisierte Regeln einhalten
- aufräumen
- die Kiste in Ordnung halten
- den richtigen Platz dafür finden
Der Morgenkreis
Nach der Kistenarbeit findet der Morgenkreis statt. Die Schüler rufen sich mit einem Ritual in den Stuhlkreis, begrüßen sich und hängen ein Foto von sich in unserem „Klassenhaus“ auf. Dies gibt den Schülern einen Überblick über die Personen, die an diesem Tag in der Klasse sind und sie sprechen und hören immer wieder die Namen der Mitschüler und Lehrer. Danach singen wir unser „Guten Morgen“ Lied. Im Anschluss daran erzählen die Schüler mithilfe von Gegenständen, Bildern und Wörtern vom gestrigen Schultag. Der vertraute, ritualisierte Ablauf ist eine gute Gelegenheit Wörter aus dem Schulalltag zu artikulieren, einfache Satzmuster einzuüben und darin Sicherheit zu gewinnen. Es folgt die zeitliche Orientierung, die Schüler überlegen das Datum des heutigen Tages. Nun entwickeln wir die Tagesstruktur. Gegenstände, Abbildungen und Wortkarten werden an unserem Tagesplan angebracht, die unterschiedlichen Unterrichtsfächer verbalisiert. Ein Bewegungsspiel, „Der große Baum im Garten“, schließt den Morgenkreis ab. Hier wird mit rhythmischem Chorsprechen und Bewegungen der inhaltliche Bezug zur Jahreszeit hergestellt.
Das gemeinsame Frühstück
Nun folgt das gemeinsame Frühstück. Wir bereiten täglich unser Frühstück selbst zu. Die Schüler entnehmen ihre Aufgaben aus einem visualisierten Ämterplan, die Aufgaben werden nach den Fähigkeiten der Schüler verteilt. Beim Abzählen der benötigten Gegenstände werden handelnd und konkret mathematische Fähigkeiten entwickelt und angewendet. Der Umgang mit Lebensmitteln fördert durch zahlreiche Wahrnehmungserfahrungen die Begriffsbildung. Während des Frühstücks werden weitere sprachliche Kompetenzen wie Wünsche und Fragen äußern, Kommunikationspartner auf sich aufmerksam machen, einfache Sätze in immer gleichbleibenden Strukturen sprechen, geübt. Nicht zuletzt werden hier beim Brotstreichen feinmotorische Anforderungen gestellt. Aufgaben für die Gemeinschaft übernehmen, sie ordentlich ausführen und dabei Handlungsabfolgen einhalten können die Schüler beim Aufräumen nach dem Frühstück anbahnen.
Der Lese- und Schreibunterricht
Regelmäßig steht danach die Unterrichtseinheit Lesen und Schreiben auf unserem Stundenplan. Spielerisch, mit viel Bewegung und zahlreichen Wahrnehmungsübungen möchten wir die Schüler an diesen komplexen Lerngegenstand heranführen. In Abhängigkeit von den individuellen Fähigkeiten lernen die Schüler Laut- Zeichenbeziehungen in Anlehnung an die „Momelfibel“ oder arbeiten mit einer Eigenfibel, die sich an dem Leseprogramm „Kinder mit Down-Syndrom lernen lesen“, orientiert. Viele Voraussetzungen für den Erwerb der Lese- und Schreibfähigkeiten müssen angebahnt werden. Dazu gehören: visuelle, auditive und feinmotorische Fähigkeiten. Häufige Übungsphasen und viel Zeit sind dabei unvermeidlich.
Danach folgen im Laufe der Woche unterschiedliche Angebote.
Die Konzeption unserer Schule sieht den sogenannten Gesamtunterricht vor. Viele „Fächer“, die man aus Regelschulen kennt, werden ganzheitlich unterrichtet und finden sich im gesamten Schulalltag in den unterschiedlichsten Unterrichtseinheiten in sinnvollen lebensbedeutsamen Zusammenhängen wieder. Dazu gehören vor allem Kunst und Musik. Daneben stehen regelmäßig Sport, Schwimmen, Tanzen, Religion und Sachkundeunterricht auf dem Stundenplan.
Die Pause
Für die meisten unserer Schüler ist die Pause ein wesentlicher Bestandteil des Schultages. Hier kann der Bewegungsdrang ausgelebt werden, Kontakte werden geknüpft oder vertieft, ausgiebiges Spielen, eigenen Interessen nachgehen oder einfach nur „chillen“ sind möglich. Bei den Auszeiten vom Unterricht richten wir uns nach den Bedürfnissen der Klasse. Manchmal sind längere Arbeitsphasen möglich, manchmal ist auch schon nach einer kurzen Konzentrationsphase eine Spiel- oder Bewegungseinheit nötig.
Die Pflege
Die Pflege begleitet den Schultag durchgängig. Manche Schüler tragen noch eine Windel, wenn sie zu uns in die Schule kommen, andere sind noch beim Übergang zum „sauber werden“ oder brauchen beim Toilettengang noch viel Unterstützung. „Sauberkeitserziehung“ und das selbständige Bewältigen des Toilettengangs sind gegebenenfalls ein wesentliches Lernziel und beanspruchen viel Zeit. In unserer Schule gibt es dafür einen geeigneten Pflegeraum.
Sprache und Kommunikation
Großen Wert legen wir auf die Förderung von Sprache und Kommunikation. Wir verstehen Kommunikation als Grundbedürfnis. Deren Förderung zieht sich deshalb durch den gesamten Unterrichtsalltag und wir versuchen, in allen Unterrichtssituationen Möglichkeiten zur Sprachförderung zu schaffen. Dabei berücksichtigen wir, dass Kommunikation in vielfältiger Art und Weise möglich ist (Gebärden, Mimik, Gestik, Körpersprache, verbalisierte Sprache). Wichtig ist uns, Kommunikation in subjektiv bedeutsamen realen Lebenssituationen zu fördern und den Schülern die Möglichkeit zu geben, Wirkungen von sprachlichen Äußerungen zu erleben. Dabei gehen wir entwicklungsproximal vor und die verschiedenen Sprachebenen finden ihre Berücksichtigung.
Dazu gehören: Sprachtragende Grundlagen wie die Auditive Wahrnehmung und die Mundmotorik, der semantisch lexikalische Bereich, die phonetisch-phonologische Sprachebene, der Bereich von Morphologie und Syntax sowie die pragmatische Sprachebene. Maßnahmen wie korrektives Feedback, der Einsatz von akzentuierter Lehrersprache und handlungsbegleitendes Sprechen bestimmen unseren Schulalltag. Wir versuchen immer wieder Situationen zu schaffen, in denen unsere Schüler zum Sprechen angeregt werden, geben ihnen viel Gelegenheit neue Begriffe zu erwerben und diese häufig anzuwenden. Je nach Bedarf unterstützen wir durch den Einsatz von Gebärden und technischen Hilfsmitteln das Sprachverständnis und die Sprachproduktion unserer Schüler.
Text: U. Wa-Neu, Fotos. U. Wa-Neu, A. Wohl.